Nach jahrelangem Streit mit der Tourismuswirtschaft und den Anwohnern hat die Landesregierung Südtirols nun ein Machtwort gesprochen und die Einführung einer Mautabgabe für das Stilfserjoch beschlossen. Ab Saisonbeginn 2013 (meist im Mai) werden die Nutzer der beliebten Touristenstraße – auf Südtiroler Seite – zur Kasse gebeten. Doch statt Klärung bringt der Beschluss nur Verwirrung – und absehbar noch mehr Ärger – mit sich. Denn die veröffentlichen Preise sind intransparent und kaum nachvollziehbar.
Zehn Euro soll das Ticket für Motorradfahrer und Kfz bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht kosten. Das ist, im Vergleich etwa zum Timmelsjoch oder der Großglockner Hochalpenstraße, durchaus akzeptabel. Schließlich sollen die Einnahmen per Gesetz ja auch ausschließlich zweckgebunden für den Erhalt der Straße eingesetzt werden. So weit so gut, auch, weil das Ticket eine ganze Woche lang gültig ist. Da können sich Kehrenfreaks ja richtig austoben…
Was uns Motorradfahrern auch nur recht sein kann, wird dem Tourismus im eh benachteiligten Vinschgau aber ein Riesendorn im Auge sein: Die Vignette für Kfz über 3,5 Tonnen kostet direkt mal 30 Euro – und gilt auch nur für den Ausstellungstag. Aber da gibt es ja auch noch die Saisonvignette für 60 Euro. Doch die gilt zum einen nur für Kfz bis 18 Tonnen, dabei aber wiederum nicht für Busse. Die müssen stets aufs Neue das Tagesticket erwerben – was wiederum das Ende der „Kaffeefahrten“ auf die Spitze des höchsten Passes der Ostalpen bedeuten dürfte.
Zum Stilfserjoch brechen im Sommer täglich zwischen 1.800 und 2.500 Fahrzeuge auf.
Alles klar? Nein? Wie auch. Wir Biker sind noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen. Doch für Südtirols Westen, seine Touristiker und die Menschen, die von den Gästen leben müssen, ist die Maut, die übrigens an einer neu zu errichtenden Mautstelle in Trafoi eingezogen werden soll, ein herber Schlag. Weil nämlich sämtliche umliegenden Regionen Norditaliens der Einführung von Straßengebühren skeptisch gegenüber stehen, ist schon die Dolomitenmaut bis heute nichts geworden. Und auch am Stilfserjoch wird die Gebühr nur für die Südtiroler Seite fällig, von Bormio aus bleibt die Passhöhe auf 2.758 Metern kostenfrei erreichbar – ebenso über Müstair und den Umbrailpass. Entsprechend befürchten die Schweizer in den Saisonmonaten Juli und August das absolute Verkehrschaos im eh schon stark belasteten Val Müstair. Zum Stilfserjoch brechen in dieser Zeit täglich zwischen 1.800 und 2.500 Fahrzeuge auf.
Bei einer Bratwurst mit Kraut frage ich den weltbekannten Grillmeister am Stilfserjoch nach seiner Meinung zur Maut: „Is mir wurscht,“ lautet die knappe Antwort. Dem könnte man sich eigentlich anschließen, wäre dieses Mautchaos nicht mal wieder ein wunderbares Beispiel für die politische Ignoranz, mit der hier über sämtliche Einwände hinweggegangen wurde, nur um den eigenen Dickschädel durchzusetzen. Wer mautfrei zum Stilfserjoch hinauf möchte, sollte den Herbst 2012 bis zur obligatorischen Wintersperre Anfang November ausnutzen. Einen kleinen Tourentipp dazu gibt es Ende August im neuen ALPENTOURER!