Eines ist mir in den vergangenen zwei Jahren klar geworden: Wir haben viel zu viel von unserer Spontaneität eingebüßt. Wir planen nicht nur unser Leben gewissenhaft durch, wir takten auch unsere Freizeit in einer unguten Art und Weise. Viele von uns – da schließe ich mich nicht aus – stecken mehr Zeit und Aufwand in die Vorbereitung einer Motorradreise als in die Durchführung. Aber: Wo bleibt da der Spaß? Die Überraschung? Oder eben die Spontaneität?
Natürlich ist mit bewusst, dass viele Berufe es bedingen, sich mit Kollegen und Arbeitgebern abzustimmen, wenn es um die gerechte Verteilung der zustehenden Urlaubstage geht. Doch ist uns spontanes Handeln abhanden gekommen. Wenn der Wetterbericht eines Wunschziels feine Motorradtage verspricht, warum fragen wir dann nicht einfach mal, ob wir ein paar Tage frei nehmen können? Stattdessen setzen wir Reiseziele und -termine fest und müssen dann auf Teufel komm raus los – egal, ob es gerade passt oder nicht.
Schon klar, es gibt Ziele, da lässt sich die Wetterlage nur schlecht mehr als eine Handvoll Tage korrekt vorhersagen. Vor allem im Norden Europas ist das recht schwierig. Dennoch könnte man ziemlich spontan selbst nach Skandinavien oder auf die Britischen Inseln reisen. Ein Motorrad passt noch auf jede Fähre …
Muss also dieses Korsett an Vorgaben wirklich sein? Finden sich nicht auf freundliche Nachfrage Kollegen, die bereit sind, zu tauschen? Und können Arbeitgeber nicht mal Flexibilität an den Tag legen, wenn ein Mitarbeiter mit einem kurzfristigen Urlaubswunsch an sie herantritt? Doch, das können sie! Sollten sie sogar, denn ein erholter Arbeitnehmer ist ein produktiver Arbeitnehmer.
Wann ist eine Motorradreise zu einem Abklappern von POIs verkommen, immer mit beiden Augen am Navi-Monitor, statt die Umgebung nach lohnenswerten Zielpunkten zu scannen?
Wer in einen Familienurlaub aufbricht, möchte Zielort und Unterkunft gesichert wissen. Aber als Motorradfahrer sollten wir unserer Neugier doch freien Lauf lassen. Wer, wenn nicht wir, kann spontan auf Entdeckungsreise gehen? Wann ist eine Motorradreise zu einem Abklappern von POIs verkommen, immer mit beiden Augen am Navi-Monitor, statt die Umgebung nach lohnenswerten Zielpunkten zu scannen? Ein guter Tourenplan, wie etwa die Routenvorschläge der Reportagen in ALPENTOURER, sollte kaum mehr als ein Gerüst sein. Den Inhalt eurer Reise solltet ihr selbst bestimmen – vor Ort.
In Europa gibt es genügend Infrastruktur, dass ihr weder verhungert, noch mit leerem Tank strandet. Auch Unterkünfte sind mit den digitalen Hilfsmitteln Suchmaschine und Buchungs-App nahezu an jedem Ort zu finden. Zumal wir doch eher in der Neben-, denn in der Hauptsaison unterwegs sind.
Also schwingt euch mal wieder spontan in den Sattel und fahrt los, der Nase nach. Lasst euch treiben, geleitet von euren Gefühlen. Im Alltag sind uns genügend Grenzen gesetzt. Auf dem Motorrad könnt ihr euch von solchen Fesseln befreien und eurer eigenes Abenteuer (er)leben. Und genau das macht einen Motorradurlaub aus. Sollte es jedenfalls.
Ich wünsche es euch!
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